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In der deutschen Sprache gibt es meines Erachtens kein gutes Wort für das, was man im amerikanischen Englisch mit dem Substantiv »stint« ausdrückt. »Stint« bezeichnet gleichzeitig einen überschaubaren Zeitraum, als auch, dass dabei etwas passiert, etwas gemacht wird. Für Schalke 04 beginnt nun der letzte Stint. Ab sofort rauscht die Saison ohne Pause auf ihr Ende zu. Nur noch 51 Tage. Mich nimmt das gerade arg mit. Mich bedrückt die Angst vor dem Abstieg.

Schwer auszuhalten

Der mentale Gong traf mich mit der Niederlage in Berlin. Nicht, dass ich die Probleme zuvor nicht gesehen hätte. Schon am vierten Spieltag notierte ich, dass Schalke wie ein Absteiger auftrat. Ich habe Gegner wie Elversberg nie belächelt. Ich sah, dass das Wintertransferfenster unzureichend genutzt wurde. Ich habe auch nach Siegen nie geglaubt, dass das noch eine passable Saison werden könnte. Aber als die Mannschaft gegen St. Pauli und Paderborn gegenhielt, als Schallenberg die Innenverteidigung zu verstärken vermochte, überwog auf der Wippe meiner Gefühle doch die Hoffnung, dass die Saison glimpflich ausgehen würde. Die Art und Weise der Niederlage gegen Hertha BSC klatschte wie ein Felsblock auf diese Wippe.

Seitdem und bis jetzt konnte ich das ganze übliche Game um Schalke 04, in Medien und Social Networks, nicht mehr gut ertragen. Vorgänge, nahezu Automatismen, die sich seit Jahren nicht verändert haben, an deren Wahrnehmung, Verstehen und Mitmachen ich seit einer kleinen Ewigkeit meinen Spaß hatte, waren mir plötzlich zuwider. Zu profan. Mir half nur runterfahren. Auch ohne den Tullus drumherum ist das alles gerade schwer auszuhalten.

Jedes Tor zählt

Nun fällt auch noch Schallenberg verletzt aus. Soppy ist wieder nicht dabei. Es geht gegen den Karlsruher SC. Die haben letzte Woche in einem Testspiel den Erstligisten Heidenheim geschlagen. Die haben zuletzt 7:0 gegen Magdeburg gewonnen und Kaiserslautern und Fürth jeweils vier Treffer reingedrückt. Für Schalke geht es gerade nicht nur um jeden Punkt, es geht auch um jedes Tor. Der direkte Abstiegsplatz ist lediglich 3 Punkte und zwei Tore entfernt.

Wie man es auch findet, das Kahn-Zitat von den Eiern hat es in den Fußball-Duktus geschafft. Er sprach’s einst auf Schalke, nach einer 0:2 Niederlage gegen die Blauen, im September 2003. Oliver Kahn stand so sehr wie wenige für Können, Intensität und Durchhaltevermögen. Schalkes letzter Stint startet an Ostersonntag.

Nie brauchte Schalke Können und Intensität dringender. Und ich das Durchhaltevermögen.

7 Comments

  • bariton76 sagt:

    Ich behaupte, Schalke braucht vor allem Anstand! Den Anstand, das abzurufen, was möglich ist. Was man in verschiedenen Spielen schon gezeigt hat. Den Anstand, zumindest in den letzten Spielen zu zeigen, dass man eben doch etwas besser ist, als die direkte Konkurrenz (nominell ist man das mMn!)! Und den Anstand, zumindest für die vielen Fans, die trotz der vielen Nicht-Leistungen, regelmäßig zu Zehntausenden zu Heim-und Auswärtsspielen pilgern, den Abstieg zu verhindern, bevor man dann weiterzieht, zum nächsten Arbeitgeber.

  • Jens sagt:

    In den letzten Tagen war Auf Schalke ja wieder einiges los, abgesehen von der Vorbereitung auf das verdammt wichtige Spiel gegen Karlsruhe am Sonntag. Grundsätzlich äußere ich mich nie großartig zu Dingen wie Taktik, Aufstellung, Spielphilosophie, außer zu Dingen die selbst mir auffallen. Da ich nie selber Fußball gespielt habe, habe ich halt auch zu wenig Ahnung davon. Wovon ich aber genug Ahnung habe sind Dinge Unternehmensführung, Marketing, Personalführung usw. Daher gibt es heute unaufgefordert und in aller gebotenen Kürze (als ob) eine Art Bestandsaufnahme:

    Auf Twitter fragte neulich jemand wem man persönlich die hauptsächliche Verantwortung für den Niedergang der letzten Jahre geben würde. Meine Antwort war sinngemäß: „Wir alle, mal mehr, mal weniger“. Warum? Matthias Tillmann und Marc Wilmots sind Anfang des Jahres in ihre jeweiligen Ämter eingestiegen und gerade unser neuer Vorsitzender macht Tabula rasa. Hechelmann weg, Asa weg, Schober weg. Und schon liest man überall wieder von „unseren Verein kaputt machen, Totengräber, sofort raus der Mann und alle anderen gleich hinterher“. Selbst simpelste Dinge, die in anderen Vereinen ziemlich geräuschlos vonstatten gehen wie die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern wie Infront, werden bei uns aufgebauscht als wären sie der Anfang vom Ende.

    Natürlich ist es toll, dass den Menschen nicht egal ist, was im Verein passiert. Nur das es hier immer nur zwei Extreme zu geben scheint. Held oder Trottel, Don oder H**rensohn, schwarz oder weiß. Dazu kommt der anscheinend ewige Wunsch nach einem „starken Mann“ der sicher alles wieder gut machen wird, absolut fehlerfrei ist und spätestens dann wenn er das alles selber glaubt schon sein eigenes Ende vorbereitet. Da reichen als Beispiel nur die Namen Eichberg, Magath, Heidel, Rangnick. Sogar der Name Clemens Tönnies verströmt plötzlich einen unerwarteten Glanz. Dazu fällt mir ein Satz von Joschka Fischer aus den 1990er Jahren ein, welchen er über Helmut Kohl sagte: „Ausgerechnet der Esel, der das ganze Heu aufgefressen hat, will jetzt Neues besorgen!“. Fakt ist leider, dass sich unser Verein nach über dreißig exzessiven Jahren mittlerweile auf der Intensivstation befindet, „körperlich“ ein Wrack und psychisch komplett fertig. Rechnet man noch die derzeitige Tabellensituation hinzu kann man sagen, wir sind dem Tod näher als dem Leben. Daher ist das kurzfristige Ziel klar: Klassenerhalt, egal wie, aber möglichst früh. Dazu hat Torsten ja bereits alles gesagt, bzw. geschrieben.
    Aus Erfahrung kann ich sagen, wenn man kurz vor dem endgültigen Ende stand hat man genau eine Entscheidung zu treffen: Mache ich genauso weiter wie bisher oder ändere ich mein Leben komplett. Nicht nur Ärzte würden zur zweiten Möglichkeit raten, auch unser neuer CEO scheint sich zusammen mit seiner Kollegin im Vorstand und dem AR dazu entschieden. Aber auch wir alle, Fans, Mitglieder, Öffentlichkeit und sogar Medien können UND müssen unseren eigenen Teil dazu beitragen, eben damit wir möglichst noch lange etwas von unserem S04 haben. Drei Dinge sind dafür nötig:

    1. Anerkennung der Lage.
    Wir sind nicht mehr der „große FC Schalke 04“. Natürlich sind wir immer noch ein großer Verein, mit vielen Fans, darum soll es gar nicht gehen. Wir sind aber, Stand jetzt, ein Zweitligist im Abstiegskampf. Eintracht Braunschweig mit nem großen Stadion und vielen Fans. Die Realität ist mehr Osnabrück und Rostock als Bayern oder Real. Es ist zwar schön, dass wir vor zehn Jahren noch Champions League gespielt haben (bought, not earned) aber um einen kürzlich verstorbenen Politiker zu zitieren: Isch over!. Oder wie ich sage, Die Erinnerung daran im Herzen bewahren und aus den Köpfen streichen. Aktuell ist bei Schalke nur noch der Schuldenstand groß, mehr nicht. Ich hatte nach dem tollen MitGEredet von Christina und den Reaktionen darauf ja schon so etwas wie Hoffnung, dass es jetzt mehr Leute verstanden haben, habe mich aber darin getäuscht.
    Stichwort personelle Veränderungen: Ich finde es persönlich auch schade um Asa, Schober und jeden Anderen ohne großen Namen der unseren Verein verlassen muss. Aber Dirk große Schlarmann hat es ganz richtig getwittert: Die Personalkosten auf Schalke betragen 73 Millionen Euro (!!) und das ist nicht mehr wie früher zum größten Teil die Mannschaft. Dazu kommen komplett überhöhte Vertriebskosten als bei vergleichbare Vereinen eine Liga höher. Ergo müssen die Ausgaben runter und die Einnahmen höher. Beides leicht gesagt, aber ich glaube das Tillmann beide Aufgaben endlich angeht, im Gegensatz zu seinem direkten Vorgänger der es anscheinend jedem irgendwie Recht machen wollte. Und wir könnten auch mal damit anfangen Entscheidungen nicht immer ex ante zu beurteilen, sondern ex post.

    2. Nicht immer versuchen alles mit Geld zu lösen.

    „Wenn XY (wieder) da ist, dann kriegen wir frisches Geld und dann geht es endlich wieder aufwärts!“
    Fakt ist, man kann mit wenig Geld viel erreichen und mit viel Geld nur viel Sch… anrichten. Man soll Spieler nicht mit Geld dazu „zwingen“ für Schalke zu spielen. Es müssen nicht immer vermeintlich große Namen, große Lösungen sein. Fakt ist aber auch, wenn ich nur ein kleines Budget zur Verfügung haben, dann müssen der größte Teil meiner Entscheidungen sitzen.

    3. Schluß mit der Hire and Fire Mentalität.

    Jeder neue Sportdirektor ist der nächste Don! Jeder neue Trainer wird unseren Verein in neue Sphären coachen! Jeder neue Spieler ist der nächste Raul oder Bordon!

    Oder

    Wie, der neue Stürmer kommt nur aus der zweiten Liga? Den Namen vom neuen Trainer habe ich ja noch nie gehört! Der neue Sportdirektor leistet sich tatsächlich Fehleinkäufe?? Ich habe drei Saisons Fussballmanager gespielt, selbst ich kann so was besser! SOFORT FEUERN! ALLE!!

    Dazwischen gibt es anscheinend nichts. Leuten erst mal Zeit geben und dann ihre Arbeit beurteilen? Nicht gleich dem nächsten vermeintlichen Messias (Ben Manga) hinterher rennen? Auf Schalke bitter nötig, aber scheinbar unmöglich…

    Ob ich Hoffnung habe, dass sich diese Dinger in Zukunft verbessern werden?? Ehrlich gesagt: Nö.

  • Klaus sagt:

    Hallo Jens,

    sehr gut geschrieben, genau so sollte es sein.
    Und zum deinem letzten Satz fällt mir nur ein, die Hoffnung stirbt zuletzt.
    Und ich habe noch die Hoffnung, dass wir irgendwie drinne bleiben und dann in der neuen Saison mit einem neuem Kader aber bitte mit dem alten Trainer neu anfangen können.

  • Carlito1904 sagt:

    Hallo Jens, starker Beitrag! Da steckt eine ganze Menge wahres drin! Und ansonsten schließe ich mich den abschließenden Worten von Klaus an, Klasse halten, egal wie, und dann bitte mit Karel Geraerts und hoffentlich komplett überholtem Kader in die neue Saison gehen und es dann hoffentlich endlich mal wieder besser machen! Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  • Fußball04 sagt:

    Hallo Jens, toller Beitrag!
    „Die Erinnerung daran im Herzen bewahren und aus den Köpfen streichen“,
    an jeder Ecke viel Zustimmung von mir.

    So lobenswert ich die Hoffnung meiner beiden Vorredner finde, muss ich anfügen, dass genau diese
    Hoffnung/eher Erwartung uns immer in diesen Strudel gebracht hat. Nur weil wir einmal am Trainer
    festhalten, wäre das sicher nicht den Mentalitätsumschwung, den Jens fordert.
    Sollte man den Klassenerhalt schaffen, sollte man mal kurz innehalte und überlegen was in den
    letzten Jahren passiert ist. Diese Hauruck-Strategie hat Schalke nicht direkt aber relativ kurzzeitig
    ans Tabellenende der zweiten Liga geführt.
    Ein ambitionierter aber demütiger Aufbau bei dem eine Niederlage gegen ein formstarkes Elversberg
    eben kein „absoluter Tiefpunkt“ ist, wünsche ich mir.

  • Simon sagt:

    Du sprichst bzw. schreibst mir wieder einmal aus der Seele, Torsten. Sehr ähnlich ist auch meine Gemütslage in Hinsicht auf Schalke momentan. Hoffen wir das Beste – das Spiel gegen den KSC war ja im Grunde ganz ordentlich. Alles in allem ist ein Unentschieden gegen eine Mannschaft, die mit um den Aufstieg spielt und in den letzten Wochen ihre Gegner teilweise platt geschossen hat, auch kein schlechtes Ergebnis. Für uns in der aktuellen Situation ist ein Punkt wiederum natürlich etwas mau. Dennoch: Wenn wir immer so aufgetreten wären, wie in den letzten drei Heimspielen, dann würden wir vermutlich irgendwo zwischen Platz 5 und 10 stehen, mit Platz noch in Sichtweite… Keine Ahnung, warum die Mannschaft das nicht umgesetzt bekommt. Vielleicht ja in Hannover.

    Und in der Tat ein sehr starker und umsichtiger Beitrag, Jens! Mögen ihn viele Leute lesen und sich das mal durch den Kopf gehen lassen.

  • Tom sagt:

    @Jens: Treffender kann es nicht beschrieben werden. Vielen Dank!

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