Am Ende eines wilden Spiels zwischen Schalke 04 und dem SC Paderborn steht ein 3:3 Unentschieden. Die Bewertung ist schwer: Hat Schalke nun zwei Punkte verloren oder einen gewonnen? Und natürlich rückt nach solch einem Verlauf auch die Frage in den Vordergrund, die auf Schalke am liebsten, am häufigsten und eigentlich immer gestellt wird: Wer war schuld?
Für schuldig erklärt wird auf Schalke in der Regel der Trainer. Wenn etwas erst richtig und dann falsch läuft, hat er wahlweise nicht rechtzeitig oder falsch reagiert. Unglaublich vielen Fans ist dann nach Abpfiff klar, was zuvor anders hätte laufen müssen, was im nächsten Spiel unbedingt anders gemacht werden muss.
Paderborn: Besser eingestellt als St. Pauli
Nach der 2:0 Führung sei Schalke eingebrochen, las ich. Anhand der Kritiken und Bewertungen entstand bei mir der Eindruck, Schalke habe gegen St. Pauli und bis zum 2:0 wie aus einem Guß gespielt und ist dann in sich zusammengefallen. Ich habe das im Stadion nicht so empfunden. Paderborns Trainer Lukas Kwasniok hatte Schalkes Spiel der letzten Woche analysiert und es hinbekommen, dass sein Team dem Schalker Offensivpressing grundsätzlich besser standhielt und bei Ballverlusten weniger Rückraum offen ließ. Mit der Halbzeitführung konnte man als Schalker happy sein, trotzdem war Schalke in dieser zerfahrenen Hälfte keineswegs das deutlich bessere Team. Die Führung kam per Elfer zustande, die größte Torchance aus dem Spiel heraus hatte Paderborn, kurz vor dem Pausenpfiff.
So sattelfest wie gegen St. Pauli war der Schalker Defensivverbund im Spiel gegen Paderborn zu keiner Zeit. Als der SCP nach Bryan Lasmes tollem Treffer alles nach vorne warf, gelang es Schalke nicht mehr, den Ball zu halten, für Entlastung zu sorgen. Hier wünschte man sich die Hilfe von außen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass jeder Wechsel für den defensiven Bereich ein qualitatives Downgrade bedeutete. Lino Tempelmann und Dominick Drexler saßen nicht auf der Bank. Als Henning Matriciani den mehr und mehr in Schwierigkeiten geratenen Brandon Soppy ersetzte, verschlimmerte das die Lage auf Schalkes rechter Abwehrseite noch.
Wechselideen
Vielleicht hätte der Trainer Kaminski bringen oder Latza früher einwechseln sollen. Überhaupt hätte man sich Assan Ouédraogo gewünscht, vielleicht hätte der für Entlastung gesorgt. Solche Ideen lassen sich leicht mit dem Wissen kreieren, dass der Spielverlauf schief lief. Weil dann eben alles besser als das Stattgefundene erscheint. Aber wer mochte beim Stand von 2:1 einen Innenverteidigerwechsel fordern? Wer den jungen Ouédraogo nach seiner langen Verletzungspause reinwerfen – für Karaman, Schalkes Besten, oder in eine Halbposition, die gerade vor allem defensive Zweikämpfe zu bestehen hatte?
Mutmachendes Heimspieldoppel
Schalke ist nicht eingebrochen. Schalke ist gegen einen richtig starken Gegner arg unter Druck geraten und trotzdem nach Rückstand zurückgekommen. Nur weil Schalke gegen den FC St. Pauli ein gutes Spiel auf dem Platz bringen konnte, ist man grundsätzlich längst nicht auf einem Niveau mit diesen beiden Teams. Den FC St. Pauli hatte Schalke mit dem Offensivpressing überrascht, Paderborn hatte sich darauf vorbereitet.
Nach dem schlimmen Auftritt in Magdeburg hätten mich zwei Niederlagen gegen St. Pauli und Paderborn nicht gewundert. Nun hatten diese beiden Spiele noch viel mehr als 4 Punkte zum Ergebnis: Trainer Karel Geraerts hat taktische Flexibilität bewiesen. Neuzugang Soppy ist aufgetaucht. Yusuf Kabadayi ist plötzlich ein Faktor. Ron Schallenberg wurde zum Schlüsselspieler. Und vor allem wurde tatsächlich als Team agiert, habe sich die Spieler auf dem Platz gegenseitig unterstützt, was zuvor häufig nicht der Fall war.
Mir hat auch dieses Spiel gegen den SC Paderborn Mut gemacht. Mein Maßstab für die Bewertung ist dabei die bisherige Saison, nicht die herausstechende Leistung gegen St. Pauli. Was von dem Mut nach dem nächsten Auswärtsspiel in Berlin übrig bleibt? Ma’kucken.
Schöner unaufgeregter Text mit treffender Analyse des Spiels sowie der übergeordneten aktuellen Lage.
Mut machen die letzten 10 Minuten in denen wieder dieses mehr an Energie aufgeboten wurde, um die zweiten Bälle zu gewinnen und den Gegner unter Druck zu setzen. Nach dem 2:0 hatte man das Gefühl das unser labiler Konstrukt zusammenbricht und Paderborn plötzlich den Raum zum Spielen bekommt. Besonders über unsere rechte Seite, wo Soppy müde wurde und Kallas immer öfter aushelfen musste. Ich beneide unseren Trainer wirklich nicht. Mit den Spielern eine Kompaktheit hin zu bekommen erscheint jedes mal aufs neue wie ein Drahtseilakt. Mal schauen ob wir in Berlin die Balance halten können.
Selbstverständlich habe ich mich auch darüber geärgert, dass man eine Zweitoreführung nicht nach Hause bringt (bzw. die Punkte zu Hause behält), aber ich nehme auch eher die positiven Aspekte mit, die hier schon beschrieben wurden. Nein, wir sind (noch) nicht auf Augenhöhe mit den Topteams dieser Liga, aber die letzten beiden Spiele sahen ganz ordentlich aus und vor allem scheint sich tatsächlich endlich eine Mannschaft zu entwickeln, die wirklich zusammen und nicht nebeneinander herspielt. Die Heimbilanz unter Geraerts ist inzwischen soweit eigentlich auch ganz ordentlich. Nun hoffe ich mal, dass das Auswärtsspiel die zarten Frühlingsblüten der Hoffnung nicht direkt wieder absterben lässt…