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Am Donnerstag hat Schalke 04 sein lang erwartetes »Sportkonzept« veröffentlicht. Es bietet viele interessante Einblicke, nur keine Antwort darauf, wie der Verein »seinen Fußball« definieren möchte. Warum man das vermissen darf, warum das Konzept trotzdem lesenswert ist, was man als Fußballfreak sonst noch lesen sollte und wo’s am Samstag auch ohne Bundesliga ein Fußballfest und Würstchen gibt: Das alles in diesem Freitagsbeitrag.

Das Schalker Sportkonzept

Schalke solle ein Konzept entwickeln, wie Schalke Fußball spielen und wie sich der Verein ausrichten will: Eine mehr als 10 Jahre alte Idee, von Fans immer wieder gefordert. Nun war es endlich so weit. Nun hatte Peter Knäbel das Schalker Sportkonzept auf der Mitgliederversammlung 2023 in der Hand. Nun sollte es gar veröffentlicht, den Mitgliedern zur Diskussion zur Verfügung gestellt werden. Nun ist das gestern geschehen. Nun kann man viel darüber nachlesen, wie Schalke Spieler entwickeln will, welche Ziele man sich setzt, wie und welche Daten dazu eingesetzt werden. Nur nicht, wie Schalke Fußball spielen will.

Spielphilosophie ohne Erklärung der Spielweise

Eigentlich trägt das Kapitel Spiel- und Ausbildungsphilosophie den Untertitel Wie wir Fußball spielen wollen. Dazu ist innerhalb des Kapitels dann zu lesen, dass die Spielphilosophie aus einem Fundament und messbaren Qualitätskriterien bestünde, an denen objektiv gemessen werden könne, ob das Schalker Spiel ein gutes war oder nicht. Das Fundament bestünde aus der (Zitat) »Einstellung: bis zum Schluss alles geben, selbst wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eingeschränkt sind. Hinfallen, aber immer wieder aufstehen und bis zum Ende nie, wirklich nie nachlassen im Bemühen, für den Verein das Bestmögliche herauszuholen.« Beispiele für Qualitätskriterien wären »Mut« und »Dynamik«; diesen Begriffen würden statistische Werte zugeordnet, an denen das Nicht-/Erfüllen festgemacht werden könne. Auf diese Art lege die Sportliche Leitung eine Spielphilosophie fest, die im Saisonverlauf »Spieltag für Spieltag überprüft« werde, die aber »selbstverständlich von dem individuellen Matchplan am Spieltag zu unterscheiden« sei. Die Spieltagstaktik werde nämlich von Team Analyse und vom Trainer-Team festgelegt, um das bestmögliche Resultat zu zu erzielen.

Woher kommt der Fan-Wunsch nach Festlegung einer Spielweise?

Wie will Schalke also Fußball spielen? Hinter dem Fundament »bis zum Schluss alles geben« (im Schalker Fußballsprech auch bekannt als »Gas geben« oder »Malochen«) gibt das Schalker Sportkonzept dazu keine Auskunft. Das ist der große Kritikpunkt, der dem Konzept nun entgegenschlägt. Warum aber wünschen sich viele Fans überhaupt, dass sich Schalke als Proficlub auf eine »Spielphilosophie« festlegen möge?

Weil jeder Fan, der es schon länger als drei Jahre mit den Blauen hält, live mitbekommen hat, dass …

  • Schalke 04 vergleichsweise häufig seine Cheftrainer wechselt,
  • die bevorzugten Spielweisen der aufeinander folgenden Trainer regelmäßig nichts miteinander zu tun haben,
  • entsprechend der Kader nie recht zum Trainer passt,
  • und deshalb auf Schalke seit Ewigkeiten Umbruch auf Umbruch auf Umbruch folgt.

Auch die Trainerreihe »Grammozis, Kramer, Reis« lässt einen nicht unbedingt sofort den großen Plan erkennen. Einen solchen wünschen sich Fans aber: Dass Schalke 04 eine »Art von Fußball« für sich festlegt, dazu das Trainerprofil und die Spielerprofile entwickelt und die Protagonisten entsprechend auswählt. Mit dem Ziel, dass ein Wechsel der Verantwortlichen nicht stets einen großen Umbruch bedeuten muss, und dass Schalke über seinen Fußball eine Identität entwickelt, die über »Malochen« hinausgeht – weil das eben tatsächlich nur das Fundament sein sollte.

Trotzdem lesenswert

Wie Schalke Fußball spielen will erfährt man durch das Lesen des Schalker Sportkonzeptes also nicht, lesenswert ist es dennoch. Die Lektüre kann Verständnis für die Komplexität des heutigen Fußballgeschäfts schaffen, sie zeigt Schwierigkeiten und Chancen auf. Sie bietet einen Einblick, den es so noch nicht gab. Und ganz zum Schluss – in der Danksagung – liefert der Text eine tolle Einordnung der »Gemengelage Schalke 04«, zeitlos gültig. Zwei Absätze, die ich hier als Zitat wiedergeben mag:

»Nachhaltig erfolgreich zu arbeiten ist im emotionalen Umfeld des Fußballs eine große Herausforderung für alle Führungskräfte. Auch auf Schalke ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe, weil das Brennglas der Öffentlichkeit so stark auf den Club gerichtet ist. Jedes Wochenende wird die Arbeit eines gesamten Jahres begutachtet und bewertet. Ein ständiges Vibrieren rund um den Verein, mit dem man lernen muss umzugehen.

Schalke braucht diese Emotionen, diese Leidenschaft, die Portion Irrationalität. Das macht den Club aus. Wenn es jedoch um Entscheidungen und Strategien geht, müssen der Kopf kühl und die Gedanken geradlinig sein. Das Sportkonzept soll Leitplanken bieten, um sich im täglichen Blitzlichtgewitter nicht zu verlieren. Ein Spiel allein entscheidet im Vereinsfußball nicht über den Verlauf einer gesamten Saison. Wir müssen den Blick weiten, Entwicklungen ganzheitlich im Auge halten und bewerten. Das Schalker Sportkonzept ist ein weiterer, wichtiger Schritt in diese Richtung.«

Lektüretipp: You’ll Never Sing Alone

Nach dem Konzept die Kultur. Fußball ist ein einfacher Sport der wenig Drumherum benötigt. Zum weltweit erfolgreichsten Spiel wurde er aber nicht durch diejenigen, die ihn spielten, sondern dadurch, dass denjenigen so gerne zugeschaut wurde. Dabei haben die Menschen ihr Drumherum entwickelt. Eine Stadionkultur, die Emotionen und Gemeinschaftsgefühl schafft. Eine Kultur des Fußballs, zu der ganz zweifellos auch Gesang gehört. Die Geschichte der Verbindung zwischen Fußball und Musik hat Gunnar Leue in seinem Buch You’ll Never Sing Alone aufgeschrieben.

Um schlecht und immerhin nicht ganz so schlecht singende Kicker, um singende Nationalmannschaften, um Vereinslieder und wie diese dazu wurden, um Songs, die ihren Weg in Stadien fanden, um die Entwicklung des Ganzen und die Aussicht, wohin das noch führen kann: Um das alles geht es in diesem Buch. Ein kurzweiliger Text, der mit unzähligen Abbildungen von Plattencovern und Plakaten, von Skripten und Dokumenten illustriert ist. Ein Buch wie ein guter Museumsbesuch, ein Werk, dem man die Liebe des Autors zu diesem Thema unbedingt anmerkt.

In einem Beitrag für Radio FM4 des ORF hat Rainer Springenschmid seinen Text zu diesem Buch mit YouTube-Tondokumenten zum Thema bereichert. Schon das macht Spaß und ist hier zu finden: »Fußball und Musik – es ist kompliziert«

Fußballfest und Würstchen: Der Come-Together-Cup auf Schalke

Kultur ist, was vom Menschen geschaffen oder gestaltet wurde. Auch die Art und Weise, wie das Zusammenleben der Menschen gestaltet ist, gehört dazu. Fußball verbindet, Fußball macht Spaß, Fußball sorgt für eine gute Zeit. Immer wieder, auch abseits des Spitzensports.

Um Fußball und um ein gutes Miteinander geht es am Samstag auf Schalke, in der Glückauf-Kampfbahn, beim Come-Together-Cup, wenn sich Menschen unterschiedlichster Herkunft, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Glaubensrichtung und körperlicher Beeinträchtigung auf und neben dem Fußballplatz begegnen.

Der CTC in der Glückauf-Kampfbahn wird von der Schalker Fan-Initiative veranstaltet. Rund 30 Teams treffen im Turnier aufeinander. Bestes Wetter ist zu erwarten, es gibt Kuchen, Bier und Würstchen, um 9:30 Uhr geht’s los! Bis dahin sollte das Schalker Sportkonzept gelesen sein, dann darf die Entspannung eingeläutet werden.

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