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Zu wenig Torchancen, gemessen am Aufwand. Zu wenig Kondition, um den Aufwand über 90 Minuten plus Nachspielzeit aufrecht zu erhalten. Zu wenig Punkte, um den Tabellenkeller zu verlassen. Schalke 04 kommt gegen den SV Wehen Wiesbaden nicht über ein 1:1 hinaus.

5. Spieltag: SV Wehen Wiesbaden – S04 1:1

Die erste Halbzeit: Um Ordnung bemüht

Nach dem chaotischen Auftritt gegen Holstein Kiel war Schalke von Beginn an um Ordnung bemüht, über den ganzen Platz. Die Spieler der Abwehrkette hielten ihre Positionen deutlich treuer als zu Beginn der Saison, als sie in Mannorientierung ihren Gegnern zu weite Wege hinterherliefen. Paul Seguin und Lino Tempelmann bildeten ein Tandem davor, wobei Paul Seguin – etwas überraschend – defensiver agierte als Tempelmann, der sich offensiv häufig einzuschalten versuchte. Auch die Angriffsreihe der Formation war klar aufgeteilt. Mohr und Kozuki auf den Flügeln, Terodde im Zentrum. Das blieb vor allem gegen den Ball stets so, wenn sich Schalke rund 15 Meter vor der Mittellinie zum Pressing formierte. Bei eigenem Ballbesitz hielt Kozuki seine Position häufig nicht. Es war auffällig, dass der rechte Flügel lahm war. Während links Ouwejan seinen Vordermann Mohr offensiv unterstützte und Tempelmann aufrückte, blieb Brunner hinter Kozuki zurück und auch Seguin rückte nicht nach.

Der Abwehrarbeit tat diese Ordnung gut. Wehen Wiesbaden trat mit einer auf Konter ausgelegten Spielweise an. Schalke gelang es regelmäßig, solche Gegenstöße bereits im Ansatz zu unterbinden. Gleichzeitig waren die eigenen Aktionen aber zu starr, zu träge, als dass man damit die tiefe Verteidigung des Gegners hätte überraschen können. Das Schema »von innen auf die Flügel, Flanke auf Terodde« war zu simpel und die Flanken in ihrer Ausführung außerdem zu schwach, als dass Simon Terodde im Spiel irgendwie hätte auffallen können.

Die zweite Halbzeit: Wilder bis müde

Zur Pause nahm Thomas Reis Soichiro Kozuki raus, Tobias Mohr wechselte nach Rechts und Neuzugang Derry Murkin übernahm die linke Offensivseite, vor Thomas Ouwejan. Linksfuß Mohr hielt den Flügel auch nicht klarer als Kozuki. Gerade sein Einrücken führte aber zum Schalker Treffer. Die Wiesbadener Innenverteidigung kümmerte sich schlicht nicht um ihn, als Schalke mal schnell agierte, als Ouédraogo den Ball in den Lauf von Murkin passte, dieser gleich mit dem ersten Kontakt Mohr flach anspielte und der frei vor dem Tor vollenden konnte.

Eine Aktion abseits der Ordnung führte also offensiv zum Erfolg. Defensiv verlor Schalke im Verlauf der zweite Hälfte aber zunehmend an Struktur, und spätestens mit der Einwechslung von Danny Latza in der 71. Minute wurde es wild. Latza agierte überall auf dem Platz. Wie jemand, der das Spiel nun alleine entscheiden wollte, hatte er vorne die größte Chance zum zweiten Treffer und foulte er hinten taktisch in einer wichtigen Situation. Gute Aktionen, einzeln betrachtet, und trotzdem verlor Schalke als Team zu just dieser Zeit jede Ordnung bei Ballbesitz des Gegners. Gleichzeitig wirkte Schalke nun mit der Kondition am Ende. In der letzten Viertelstunde gab es kein Pressing mehr und die Abwehrkette zog sich immer weiter zurück. Wehen Wiesbaden hatte nun mehr Luft, im eigentlichen wie im übertragenen Sinn, und kam so zur druckvollen Schlussphase.

Gefühlte Überlegenheit, ausgeglichenes Ergebnis

Aus Schalker Sicht hat also vor allem Schalke zuerst ganz okay agiert, dann nachgelassen und den Sieg unglücklich liegen gelassen, nachdem man vorne die Entscheidung verpasste und hinten beim Gegentor auch noch selbst unglücklich den Gegner anschoss. Mit einzelnen Szenen lässt sich diese Sichtweise unterstützen. Bemüht man sich um einen weniger einseitigen Blick, traut man sich gar den Perspektivwechsel, bleibt von der Schalker Überlegenheit nicht viel über.

Wehen Wiesbaden wollte tief stehen und Schalke im Angriffsdrittel keinen Raum lassen. Natürlich wollten sie ihre Konter besser ausspielen, was Schalke gut zu verhindern wusste. Aber umgekehrt haben sie Schalke über lange Phasen der ersten Hälfte im Mittelfeld verhungern lassen. Zu Torchancen kam Schalke in der zweiten Hälfte, als Wehen Wiesbaden seinerseits mehr Offensivspiel auf den Platz bringen wollte. Erst in dem Moment wurde das Feld offener, was zu gefährlicheren Situationen führte, auf beiden Seiten. Insgesamt war es ein Spiel der Momente, die es hier wie dort gab, und die am Ende nicht nur ein 1:1, sondern auch eine sehr ausgeglichene Statistik hinterließ. Denn nach dem Spiel lag der Ballbesitz bei 50% zu 50%, der xG bei 1,26 (WIE) zu 1,30 (S04) und auch die Torschussstatistik zeugte nicht von Überlegenheiten – Abschlüsse 14:15, Schüsse aufs Tor (on target) 4:5.

Zu wenig Spitzenteam

Ich denke die ganze Nummer mit »Ziel Aufstieg Aufstiegsfavorit Top-Team Mehr Qualität als der Gegner Qualität auf den Platz bringen« sollte Schalke jetzt mal in ein Schublade legen und nicht weiter beachten. Dass Schalke das Ziel Aufstieg zu Saisonbeginn offensiv und öffentlich benannte, fand ich richtig. Was Schalke bislang auf den Platz gebracht hat ist aber so weit weg von Spitzenteam, dass das Wording nun unpassend bis peinlich wirkt. Während Schalke für sich noch nicht wirklich Klarheit darüber erlangt hat, wie man eigentlich fußballspielen will, mausert sich die Zweite Liga zu einer Veranstaltung, in der gerade die Teams erfolgreich sind, die mit dem Ball was anzufangen wissen, deren Spielweise über Pressing und Flanke/Kopfball hinaus geht.

Gegen Holstein Kiel und den HSV hat Schalke bereits verloren, nach der Länderspielpause bekommt es das Team von Thomas Reis mit dem 1. FC Magdeburg zu tun, danach geht’s nach Hamburg, gegen den FC St. Pauli. Schwierige Aufgaben für Schalke 04.

Bild: Andreas Ernst

5 Comments

  • Carlito1904 sagt:

    Eine ganz schön ernüchternde Einschätzung, Torsten. Wofür du natürlich nix kannst, Schalke lässt aktuell wenig Raum für Optimismus. Man kann nur hoffen, dass die Mannschaft anders, besser und vor allem mal mit einem Plan, wie man Tore schießen möchte, der über Pressing, Flanke, Kopfball, Tor hinaus geht, aus der Länderspielpause kommt. Alleine mir fehlt gerade ein wenig der Glaube, woher das dann jetzt auf einmal herkommen soll. Sowas fällt ja nun mal leider nicht vom Himmel.

    Erst 5 Ligaspiele gespielt. Und dennoch gerät das Saison-Ziel schon komplett aus dem Bereich des möglichen, möchte man meinen. Es ist wirklich ernüchternd.

    PS: wann steht mal wieder eine Podcast-Aufnahme an? Es gäbe aktuell vermutlich einiges zu besprechen. 😉

  • Martina sagt:

    Am Anfang war ich recht erfreut, was das Schalker Spiel anging. Seguin und Tempelmann als Doppelsechs verhinderten schon mal diese Riesenlücke im Mittelfeld, die in den anderen Spielen zu Gegentoren führte. Auch mit dem Ball sah es schon nach Fußball aus. Die von dir erwähnte Ordnung tat ein Übriges. Ich hätte gar nichts gegen ein „von innen nach außen, Flanke auf Terodde, Tor“. Aber die Flanken auf Terodde waren ein Graus. Weder Mohr noch Ouwejan brachten vernünftige Flanken in den Strafraum, und von Kozouki kam gar nichts. Auch die Standards, vor zwei Jahren noch eine gefährliche Waffe, waren erschreckend wirkungslos.
    Ein weiterer Kritikpunkt: das Umschalten. Es gab mehrere Situationen, die zum Kontern geradezu einluden. Dann wurde garantiert das Tempo rausgenommen, meist von Seguin, und der Angriff verpuffte. Oder man kam bis zum 16er und spielte so lange quer, bis ein Wiesbadener dazwischen ging. Was ich sagen will: ich erwarte von dieser Mannschaft keine Wunderdinge, auch keine grandiosen Ideen. Mir würde es reichen, wenn saubere Flanken bei Terodde landen und Konter konsequent zu Ende gespielt werden. Dann fallen auch die Tore, die wir dringend benötigen. Selbst der FCBäh ist in seiner Spielanlage leicht zu durchschauen, die Tore fallen quasi mit Ansage. Aber es nützt dem Gegner nichts, sie fallen trotzdem.
    Ich bin der Meinung, Reis ist der richtige Trainer für dieses einfache Spiel und für Schalke. Und ich hoffe sehr, dass er aus diesen Spielern schnell eine Mannschaft formen kann.

  • Torsten sagt:

    Ich befürchte, die Idee »Flanke, Kopfball, Tor« hat sich ein bisschen überlebt, oder sie war gar nie so einfach. Vor zwei Jahren hatte Schalke hinter Terodde mit Zalazar noch einen torgefährlichen Mittelfeldspieler und mit Bülter einen torgefährlichen Außen. Nun sehe ich da eigentlich nur Karaman, und der fällt aktuell auch noch aus. Wenn der Gegner tatsächlich nur Terodde zu verteidigen hat, ist das zu einfach, befürchte ich.

  • Phipser sagt:

    Stimmt schon, wobei Zalazar sich zB auch erst mit der Zeit zu einer Gefahr fürs gegnerische Tor entwickelt hat. Im ersten Saisondrittel hatte er damals nur eine Vorlage in der Liga. Bis zum ersten Tor (im 13. Ligaeinsatz) standen damals 33 vergebene Schüsse zu Buche. Und gut ins Spiel eingebunden war er meiner Erinnerung nach auch lange nicht – oft festgedribbelt und aus allen Lagen geschossen, kaum mal Mitspieler gewinnbringend in Szene gesetzt.

    Also ja, es ist ein Problem, dass die einfachen Angriffsmuster diese Saison bisher noch weniger Erfolg gebracht haben – damals waren es ja auch nur 7 Punkte aus den ersten 5 Spielen. Aber noch hat Schalke die Zeit und die Möglichkeiten das Offensivspiel entsprechend weiter zu entwickeln.

  • joha sagt:

    Danke für die ausführliche Analyse, Torsten! Zustimmung, auch zum unauffälligen Einkassieren des Aufstiegsziels, was kommunikativ geschickt umgesetzt sein möchte.
    Darüber hinaus hoffe ich, dass die Länderspielpause als eine Art zweite Vorbereitung genutzt wird. Sind keine einfachen Gegner, um in die Spur zu kommen, aber was soll’s, irgendwann muss die spielerische Entwicklung einsetzen.
    Ist vielleicht noch zu früh, mit Topp statt Terodde zu spielen, aber nach meinem ersten Saisoneindruck ergibt sich da womöglich langsam Handlungsbedarf, um Variabilität zu gewinnen (und Polter macht im Moment keinen gefestigten Eindruck).
    Auf Führungsebene wünsche ich mir, dass Brinkert ein weiteres Mal Interesse am CEO-Posten hat. Eine Vertragsverlängerung mit Knäbel ist angesichts der sportlichen Situation im Moment natürlich nicht darstellbar, aber auf der Position gibt es derart viele Scharlatane im deutschen Fußball, dass ich ihn gerne weiter bei uns sehen würde.

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