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Das Derby endet 2:2 und hat doch einen Sieger: Schalke stemmt sich entschieden gegen den Abstieg und fährt auch gegen einen sportlich übermächtigen Gegner einen wichtigen Punkterfolg ein.

24. Spieltag: S04 – Bor. Dortmund 2:2

Die Zahlen

Am Ende zählen nur die Tore. Das 2:2 bedeutet einen Punkt für Schalke 04. Damit liegt man nun bei 20 Punkten und auf dem 17. Rang. Platz 15 ist bei 22 Punkten (VfL Bochum). Der VfB Stuttgart auf dem Relegationsplatz liegt auch bei 20 Punkten, hat aber das deutlich bessere Torverhältnis. Hoffenheim ist aktuell Letzter, spielt aber erst am Sonntag und droht Schalke noch zu überholen. In allen Statistiken zum Spiel lag Dortmund vorne. Bei der Anzahl der Abschlüsse (10 S04 : 20 BVB) wie bei den Schüssen aufs Tor (on target, 4:8) und beim xG (1,51:2,02). Auch bei den gewonnenen Zweikämpfen (38%:62%), den gespielten Pässen (275:552) und der Quote der angekommenen Pässe (69%:84%). Nur bei der gelaufenen Strecke lagen die Teams gleichauf (km, 114,51:114,78).

Die Meinung

Seine Spitzenleistungen entwickelt der Fußball in den letzten Runden der Champions League. Aber es sind Spiele wie das am Samstagabend auf Schalke, wegen derer Fußball der beliebteste Sport der Welt ist! Für solche Spiele gehen Menschen zu Millionen in die Stadien, obwohl in den allermeisten Ländern die immer gleichen Clubs am Ende die Trophäen heben. Wenn in den 15 Minuten vor dem Abpfiff kein Hintern auf einem Sitz verharrt, wenn Sechzigtausend stehend zappeln, wenn jede Grätsche und jeder geblockte Ball zu orkanartigem Jubel führt und der Abpfiff dem ganzen Stadion einen nicht für möglich gehaltenen Erfolg beschert: Dann ist Fußball nicht steril, dann ist Fußball faszinierend.

In den Derbys gäbe es keine klaren Favoritenrollen, heißt es, hieß es auch vor diesem Spiel. Schalker sagten es, um sich Mut zuzusprechen, um ihre Hoffnungen in Worte zu bringen. Dortmunds Trainer Edin Terzic sagte es auch, weil auf Pressekonferenzen die Wertschätzung des Gegners angebracht ist. Nach dem Spiel analysierte Edin Terzic klarer. Dass es zwei Arten gegeben habe, wie sein Team dieses Derby hätte angehen können, sagte er. Die leidenschaftliche und emotionale Art oder eine Art, in der sie ihre fußballerischen Qualitäten auf dem Platz ausspielen. Das Ausspielen der Qualität habe in der ersten Hälfte hervorragend funktioniert. In der zweiten Hälfte sei man im Zentrum zu statisch geblieben und habe Schalke deshalb die Chance gegeben, über ihre mannorientierte Defensive zurück ins Spiel zu finden.

Damit hatte er komplett recht. Dortmunds Überlegenheit in den ersten 45 Minuten war viel deutlicher, als es der 0:1 Zwischenstand zur Pause aussagte. Das zweikampforientierte Schalke kam nicht in Zweikämpfe. Vielleicht war Schalke eine Spur zu passiv, vor allem aber wusste sich Terzic‘ Mannschaft den Eins-gegen-Eins-Situationen mit Ball in hoher Geschwindigkeit und mit viel Bewegung zu entziehen. Es war an Dortmund, das nach dem noch reingetänzelten zweiten Treffer nicht aufrechtzuerhalten. So wie es in Duellen zwischen zwei sehr ungleichen Gegnern immer eine Schwäche des Stärkeren braucht, dem Schwächeren eine Chance zu eröffnen. Das ist die analytische Wahrheit eines jeden Fußballspiels, in dem der Favorit strauchelte.

© IMAGO

Ebenso wahr ist im so physischen Spiel Fußball aber auch die emotionale Analyse: Dass es Helden braucht, die solche Chancen nutzen können. Dortmunds Jude Bellingham hat das Potenzial, einer der besten Fußballer der Welt zu werden; vielleicht ist er das sogar schon. Für Henning Matriciani ist es der Himmel, auf Schalke in der ersten Liga zu spielen. Dieser Henning Matriciani trieb gestern diesen Jude Bellingham in den Wahnsinn und sprang auch gegen alle anderen gelben Supertalente in jeden Ball. Marius Bülter rannte noch in der 86. Minute langen Bällen bis zur gegnerischen Torauslinie hinterher – Anstrengung bis zur Kotzgrenze. Kenan Karaman war bis zu diesem Spiel ohne jeden Scorerpunkt. Nun wurde er zum neunten Mal eingewechselt, versenkte seinen Kopfball und ist fortan für immer ein Teil Schalker Derby-Geschichten.

Dortmund gehört mit Bayern München und RasenBallsport Leipzig zu den drei Teams, die fußballerisch der Liga einen weiten Schritt voraus sind. Deshalb, weil es das Derby war und weil Schalke zwei Rückstände aufholte, zahlt dieses Unentschieden wie ein Sieg auf die Moral dieser Mannschaft und aller tausend Freunde ein. Ein wichtiger Punkt, ein nächster Schritt in Richtung des großen Zieles Klassenerhalt.

Die Aussicht

Man mag es kaum noch glauben, aber in jedem Bundesligaspiel droht erneut ein guter Gegner zu gewinnen. Und: Selbst wenn Schalke gar nicht mehr verliert, würde das alleine kaum zum Ligaverbleib ausreichen. Auch wenn man heute noch nicht daran denken mag, auch wenn sich Druck gerade erst entladen hat – gegen Augsburg »muss« Schalke wieder gewinnen.

Bild: IMAGO

3 Comments

  • Carlito1904 sagt:

    „Wenn in den 15 Minuten vor dem Abpfiff kein Hintern auf einem Sitz verharrt, wenn Sechzigtausend stehend zappeln, wenn jede Grätsche und jeder geblockte Ball zu orkanartigem Jubel führt und der Abpfiff dem ganzen Stadion einen nicht für möglich gehaltenen Erfolg beschert: Dann ist Fußball nicht steril, dann ist Fußball faszinierend.“

    Du sagst es! Und es war toll, gestern Teil dessen zu sein und aus der Nordkurve guckend noch 15 Minuten nach Abpfiff zu sehen, dass sehr große Teile der Schalker*innen auf Gegengerade, Haupttribüne und in der Südkurve noch im Stadion geblieben sind und diesen gefühlten Sieg mit ihrer Mannschaft feiern wollten! <3

    Auch wenn das dazu führte, dass es danach dann an den Straßenbahnen noch voller war als sonst. Und zu allem Überfluss auch noch eine vor uns fahrende Bahn technische Probleme hatte, weswegen wir quasi im Schneckentempo, mit diversen Stopps und dann doch die Hälfte der Strecke zu Fuß zurücklegend, erst ziemlich spät in Buer eingetrudelt sind.

    Aber auch das konnte meine gute Laune auch nicht nur um ein My verringern. Und ich glaube, ich bin heute Morgen noch mit einem Grinsen im Gesicht aufgewacht. 🙂

  • Detlef sagt:

    Ich versuche mich dem Spiel analytisch zu nähern. Was mir , auch nach 16 Stunden, nicht gelingt. Ich lese die Zahlen, die eindeutig für die Anderen sprechen. Bleiben wird das Ergebnis 2:2 und die GRÄTSCHE.
    Alles andere, was in / um die Arena passierte macht mich sprachlos.

    Nur soviel: Schalke ist der geilste Klub der Welt.

  • Tobias sagt:

    Ich glaube, ihr habt alle Recht: es war berauschend in der Masse gestern. Aber erst heute wird mir richtig klar, dass das ein wirklich besonderer Fußballabend war, von dem neben dem zweifachen Ausgleich des Schwächeren und dieser irren Atmosphäre vor allem Hennings sieben(?) Wunderwerke in Erinnerung bleiben werden.

    Ungeschlagen seit sieben Spielen: Das an sich ist schon ein wahres Wunder.

    Weiter so!

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